Automatisierte Texterstellung
So erfolgreich sind Händler mit Textrobotern.
Artikel in Online-Shops, die nicht nur nutzerfreundlich dargestellt, sondern vor allem auch im zugehörigen Produkttext ansprechend beschrieben sind, verkaufen sich deutlich besser. Immerhin kann sich ein Kunde seinen künftigen Fensterputz-Apparat, den neuen Fahrradsattel oder aber den Geschmack eines Früchtetees mit der passenden Beschreibung viel besser vorstellen.
So ist das Internet voll mit Ratgebern und Tipps, auf welche Merkmale bei den kleinen Erklärstückchen Wert zu legen sei: Kurz und knapp, einfach erklärt, viel Emotion und natürlich abwechslungsreich muss es sein. Einen ganz hübschen Guide mit 8,5 Tipps für den perfekten, verkaufsfördernden Produkttext hat beispielsweise das Portal Konversionskraft zusammengestellt. Doch um genügend solcher großartiger Texte mit viel Verkaufspotenzial zu produzieren, braucht es dann doch viele Ressourcen, Redakteure und Super-Germanisten – oder? Jein.
NLG, KI und schöne Produkttexte
Denn stetig schreitet die Automatisierung von Prozessen im E-Commerce voran und macht vor dem für Händler so umsatzfördernden und zugleich kostspieligen Texterstellungsprozess keineswegs halt. Mit der passenden Software können per Mausklick gleich Tausende, mannigfaltig gestaltete Produkttexte erzeugt werden. Das ist keine Zauberei: Das Handwerkszeug für die „Textroboter“ stammt aus der Computerlinguistik, trägt den Namen „Natural Language Generation“ (NLG), übersetzt in etwa „natürliche Textgenerierung/automatische Texterstellung“, und ist eine besondere Form künstlicher Intelligenz (KI). Die Textproduktion mit NLG haben Unternehmen längst zum eigenen Geschäftsmodell gemacht, etwa Arria aus Großbritannien – Pionier auf dem Gebiet, AX Semantics aus Stuttgart oder Retresco aus Berlin. Und mittlerweile wird Textautomatisierung sogar in Berufsausbildungen gelehrt: „Mehrere Berufsschulen in Baden-Württemberg widmen dem Thema NLG mittlerweile eine sechswöchige Lehreinheit“, berichtet Frank Feulner, Chief Business Development Office von AX Semantics.
Rund um die Grundlagen und Funktionsweisen der Texter-Software haben wir im vergangenen Jahr ausführlich informiert. Seitdem hat sich in diesem Feld einiges getan: Die Software ist noch leichter zu bedienen, es gibt neue hilfreiche Features, vorhandene Daten können präziser verwertet werden – und vor allem konnten weitere Erfahrungen aus der Praxis in frische Strategien verwandelt werden. Davon profitieren auch Online-Händler.
Je mehr Produkte, desto aufwendiger sind einzigartige Produkttexte
Überzeugte Anwender der NLG-Software sind etwa Home24, Zalando oder KiK. Für die Produkttexte aus der Maschine hat sich außerdem mittlerweile MediaMarktSaturn entschieden. Seit November 2019 nutzen die Elektro-Händler die Retresco-Software „rtr textengine“, denn ihr Bedarf an abwechslungsreichen und guten Produkttexten ist beachtlich. In ihren Online-Shops sind über 350.000 Artikel ständig verfügbar. „Was für den Kunden eine enorme Auswahl bedeutet, stellt für die Mitarbeiter des Online-Teams bei MediaMarktSaturn in erster Linie eines dar: Texten, texten, texten“, heißt es in einer gemeinsamen CaseStudy der beiden Unternehmen.
Produkttexte basieren in der Regel auf den Informationen, die Händler vom jeweiligen Hersteller erhalten. Allerdings war es im bisherigen Prozess oft so, dass nur technische Daten abgebildet wurden, wodurch letztlich keine einheitliche Darstellung der Produktinformationen im Online-Shop erreicht werden konnte. Und: „Je mehr Produkte ein Online-Shop enthält, desto aufwendiger ist die redaktionelle Erstellung von einzigartigen Produktbeschreibungen“, wie Florian Spengler, zuständiger Projektleiter für das MediaMarktSaturn-Projekt bei Retresco, in der entsprechenden Pressemitteilung zum Bedarf ausführt. „Automatische Textgenerierung sorgt für signifikante Effizienzsteigerungen im gesamten Prozess der Content-Produktion.“
Eben diese Effizienz erlebt MediaMarktSaturn nun: Der Händler hat mit dem Texter-Tool bereits über 210.000 Produktbeschreibungen für Artikel aus 427 Warengruppen automatisiert. „Das Beispiel MediaMarktSaturn verdeutlicht die Potenziale automatischer Textgenerierung für den E-Commerce“, so Florian Spengler gegenüber OnlinehändlerNews zu dem Projekt. „Natural Language Generation erstellt Inhalte in Sekundenschnelle und macht langwierige Abstimmungsschleifen zwischen internen Akteuren überflüssig.“
SSI Schäfer Shop: Neue Textstrategien statt Massenproduktion
Auch die SSI Schäfer Shop GmbH setzt auf die Textroboter. Der Online-Shop für Büro- und Betriebsausstattung begann Mitte 2018, nach und nach die AX Semantics browsergestützte Anwendung „NLG Cloud“ für die eigene Content-Produktion einzusetzen. „Wir bei Schäfer Shop verfolgen grundsätzlich den Ansatz, unsere Arbeit stets noch erfolgreicher zu gestalten. Deshalb beobachten wir auch die Entwicklung neuer Technologien aufmerksam, die uns im Arbeitsalltag unterstützen und einen echten Mehrwert bieten können“, erklärt Harry Olfert, Head of Content Management bei Schäfer Shop, auf die Frage, warum sich das Unternehmen für das Text-Tool entschied.
Auch berichtet er, wie es der Firma damit erging: „Der größte Nutzen des Tools ist die enorme Zeitersparnis hinsichtlich der Erstellung Tausender neuer Texte. Was sonst Wochen oder Monate in Anspruch nahm, lässt sich nun in kürzester Zeit umsetzen. Damit einher geht die Möglichkeit der Flexibilität. Kommt ein weiteres wichtiges Feature zu einem Produkt oder gar einer Kategorie hinzu, bedarf es keines großen Aufwands mehr, eine kleine Änderung vorzunehmen und dann die Texte per Knopfdruck einmal neu zu generieren.“
Durch die Verwendung von AX Semantics Software konnte Schäfer Shop auch die Ausrichtung und Gestaltung der Texte optimieren. „Während unser Fokus vorher darauf lag, die Masse der vielen Texte irgendwie zu bewältigen, gehen wir nun deutlich stärker auf die Textstrategie ein“, so Olfert. Mit dem Tool werden neben ausführlichen Produktbeschreibungen nun auch Kurztexte kreiert, die dem Kunden zunächst die wichtigsten Inhalte des entsprechenden Produkts vermitteln.
Die Eigenheiten der eigenen Daten besser verstehen
Grundlagen für schöne Texte sind Daten – im E-Commerce je nach Produkt also Angaben wie Preis, Größe, Farbe etc. Dann können Tools wie die von Retresco oder AX Semantics die Beschreibungen nicht nur schnell, sondern auch konsistent erzeugen. Dabei lassen sich Schreibweisen, die in den Herstellerdaten voneinander abweichen, einheitlich ausgegeben – ein wesentlicher Vorteil, wenn die Marke oder der Shop einen stimmigen Auftritt hinlegen will.
Doch dass die Herstellerdaten oft extrem unterschiedlich ausfallen, weiß jeder Händler. Damit sie für die Texttools auch tatsächlich nutzbar sind, müssen sie strukturiert, im passenden Format vorliegen – etwa tabellarisch und nicht als Fließtext. Außerdem müssen sie inhaltlich verwertbar sein. Das ist eine Herausforderung für Händler. „Vielfach wissen Verantwortliche nicht, was in ihrem Datensatz eigentlich an Inhalten vorkommt, was häufige oder typische Features sind oder wo ihre Daten nicht harmonisch sind“, bestätigt Frank Feulner von AX Semantics. Die Stuttgarter haben entsprechende Lehren aus den Praxiserfahrungen der E-Commerce-Anbieter gezogen und in den letzten Monaten noch einmal besonders an der Datenanalyse geschraubt, um die Handhabung mit Rohdaten zu vereinfachen: „Unsere Plattform erstellt ein Histogramm der Daten, das den Projektmitarbeitern einen umfassenden Überblick über die Eigenheiten ihrer Daten gibt“, berichtet Feulner.
Höhere Effizienz durch einfache Bedienbarkeit der Texttools
Neben der Datenbasis ist die Benutzbarkeit der Software für Laien zunächst mit Aufwand verbunden. Grundsätzlich sind neben Schreibtalent und Grammatikwissen nämlich auch ein paar technische Kniffe zu erlernen. Deshalb wird gerade in Sachen Usability immer wieder nachjustiert: „Die neue intuitive Benutzeroberfläche von textengine.io ermöglicht schnelle und effiziente Prozesse zur Erstellung und Bearbeitung von Texten. Durch die unmittelbare Text-Preview können etwaige Änderungen im Text auf den ersten Blick nachvollzogen werden“, berichtet Moritz Rückwart, Product Owner für textengine.io zu den Neuerungen.
Im Tool wurde auch der richtige Umgang mit Daten sowie die Kreation zugehöriger Synonyme so einfach wie möglich gestaltet. „Statt als zusammengefasste Slots definiert textengine.io Satzkonstruktionen wie ,Dieser schöne Pullover‘ als getrennte Worte, erkennt die Adjektive automatisch als solche und ermöglicht, per Klick direkt Textvarianten und Synonyme für diese hinzuzufügen“ erläutert Rückwart weiter. Die Software schlägt passende Varianten vor.
„Viel näher an der Realität“
Auch bei AX gibt es solche Live Previews. Darüber hinaus seien die Bedienoberflächen inzwischen noch „selbstständiger“, erklärt CBDO Feulner zu den Usability-Updates: „Wir sind sehr gut darin geworden, vorauszusagen, welche Sprachregeln und Datenbezüge der Nutzer programmieren möchte. Die entsprechenden Container und Regeln haben wir ja schon viele Tausende Male gesehen und können sie im Prinzip schon ableiten, sobald der Nutzer einen Text eingibt“.
Außerdem haben viele Aktionen im Programm eine grafische Gestalt bekommen: „Statt abstrakte Regeln zu bauen, schreibt der Nutzer Texte, erstellt Gabelungen oder modelliert Regeln in einem Baukasten. Alles ist viel näher an der Realität.“
Praxisnahe Unterstützung
Es mag verlockend klingen, in kürzester Zeit gleich Tausende einzigartige Produktbeschreibungen erstellen zu können. „Aber die Arbeit, die damit verbunden ist, sollte nicht unterschätzt werden“, mahnt Schäfer Shop Head of Content Manager, Harry Olfert. Weil es so wichtig ist, eine „saubere Datenbasis“ zu haben und Texte zügig produzieren zu können, hat sich Schäfer Shop bei der Umsetzung der eigenen Projekte Unterstützung geholt: „Um Geschwindigkeit aufzunehmen, haben wir uns nach einigen Monaten des Selbstversuchs dazu entschieden, mit einem Dienstleister zusammenzuarbeiten. Das war ein richtiger Schritt.“
Auch Frank Feulner von AX Semantics sind solche Notwendigkeiten bewusst: So hat AX ein „Adoption Project“ gestartet. Hier lernen Unternehmen alle Best Practises, die bei den Bestandskunden schon zum Erfolg führten. „Angefangen bei der Wahl der richtigen Kollegen und einer tadellosen Ausbildung an der NLG Plattform über die Wahl der richtigen Metriken, und die Berechnung des Business Cases bis hin zur Präsentation bei den internen Entscheidern und der Abstimmung einer Roadmap.“ Daraus hat der Chief Development Business Officer inzwischen sogar ein weiteres, eigenes Business entwickelt, bei dem man ihn als Berater buchen kann.
Dadurch, dass immer mehr Anwendungsfälle bekannt sind, habe sich auch die Beziehung zu den eigenen Kunden verändert, so Feulner weiter: „Kunden müssen ihre Usecases nicht mehr ,in leerer Luft‘ definieren, bevor sie zu uns kommen. Jeder, der Daten hat, kann sich an uns wenden – den Business Case können wir unseren Kunden mit auf den Weg geben.“
Händler wollen Textautomatisierung weiter und umfassender nutzen
Immer mehr E-Commerce-Partner-Unternehmen spezialisieren sich auf die Implementierung der Textsoftware, darunter etwa auch die Digital-Commerce-Firma Isa, Partner von AX. Max Bott, Content-Projektleiter bei Isa, führt zu den Erfolgsaussichten aus: „Im E-Commerce müssen neben ganzheitlichen Content-Marketing-Maßnahmen tausendfach Basis-Inhalte erstellt werden. Indem wir unser Produktportfolio um die Generierung automatisierter Texte erweitern, können wir auch große Händler mit hohen Textmargen optimal unterstützen. Dabei soll die Arbeit des menschlichen Redakteurs keinesfalls ersetzt werden. Vielmehr streben wir eine hybride Text-Produktion an, um so noch mehr Conversion zu schaffen.“
MediaMarktSaturn hat das Potenzial in jedem Fall erkannt und will die Textengine von Retresco künftig noch intensiver nutzen: „Die Software von Retresco erstellt Produkttexte effizient und in hoher Qualität. Unser nächstes großes Ziel ist es, alle Services, die wir bei MediaMarkt und Saturn anbieten, in die Texte zu integrieren“, sagt Christian Brandl, Bereichsleiter Content Management bei MediaMarktSaturn Deutschland.
Auch Harry Olfert bestätigt, dass Schäfer Shop mit dem Tool von AX Semantics nicht nur zufrieden ist, sondern auch weiter damit arbeiten möchte: „Grundsätzlich entwickeln sich unsere Sortimente positiv und die Sichtbarkeit steigt.“ So wird das Unternehmen in Zukunft wohl noch mehr Texte automatisch generieren – entsprechende Projekte seien bereits in Arbeit.