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INTERVIEW: Stammdaten sind wichtig für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierungsstrategien

Die Capri Sun Group verfügt über 24 Produktionsstandorte und kooperiert in langjährigen Partnerschaften mit Unternehmen wie der Kraft Heinz Company und Coca-Cola. Standorte haben sie in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien, Dubai und China. Das Unternehmen ist in Privatbesitz; der Inhaber Dr. Hans-Peter Wild  hat das Geschäft mit seiner „Can-Do“-Mentalität und dem Fokus auf Innovation und Qualität erfolgreich aufgebaut.

 

© capri-sun

 

„Wir sind das Unternehmen, das der ganzen Welt ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und das tun wir bereits 6 Milliarden Mal pro Jahr – nämlich immer dann, wenn jemand eines unserer Produkte trinkt!“

Meike Mülhaupt hat über 15 Jahre fundierte Erfahrung in verschiedenen Bereichen und Unternehmen im Stammdatenmanagement gesammelt und aus einem „Side Effect“ ihr berufliches Steckenpferd gemacht. Als Master Data Managerin kennt sie neben individuellen Anforderungen, die typischen Probleme und Fragestellungen in Unternehmen, um Datenmanagement und die entsprechenden Prozesse erfolgreich aufgleisen zu können. Wie genau das bei einem global agierenden Unternehmen funktioniert, erfahren wir im Interview.

 

 

Frau Mülhaupt, haben Sie bereits auf SAP S/4 umgestellt?

Die Umstellung auf S/4 ist in Planung und wird in den nächsten Jahren realisiert. Es wird für alle Beteiligten, ob IT oder Business eine aufregende Zeit. Vor allem die Bereinigung unserer Stammdaten wird eine große Herausforderung. Auch unsere Prozesse werden wir genau unter die Lupe nehmen und sicherlich Verbesserungspotenzial identifizieren. So ein Projekt ist auch immer eine große Chance für Verbesserungen.

 

Welchen Beitrag können Master Data Abteilungen zur Unterstützung der Digitalisierungsstrategie von Unternehmen leisten?

Die Einbindung von zentralen Master Data Abteilungen in der Unternehmensorganisation ist die absolute Basis für eine solide Datenqualität und reibungslose Prozesse. Kein Unternehmen kann erfolgreich Digitalisierungsstrategien umsetzen, wenn nicht erst die fundamentalen Hausaufgaben bei den Stammdaten gemacht werden.

 

Ist dieser in der Gesamttransformation eher hoch, mittel oder gering?

Das kommt darauf an, wohin die Reise geht. Ein KMU wird sicherlich andere Digitalisierungsziele haben als ein industrieller Großkonzern. Die einen verstehen unter Digitalisierung die Abkehr von Excel-Dateien und Papierlisten, wiederum andere planen die Umsetzung von Machine Learning. Je höher und komplexer die Ziele, desto höher der Beitrag der Master Data Abteilung.

 

Kennen Sie konkrete Beispiele hierfür?

Nehmen wir z.B. die Baustoff-Branche. Einige bzw. viele Hersteller wollen mittlerweile nicht mehr nur an den Einzelhandel vertreiben, sondern einen eigenen Online-Shop betreiben. Die Hersteller merken dann leider mitten im Projekt, dass ihre Produktdaten alles andere als ausreichend und gut strukturiert sind, um einen Shop mit Leben zu füllen und die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Eine Stammdatenabteilung würde hier einen enormen Beitrag leisten, um Standards und Strukturen in die Produktdaten zu bringen. Aber eine Abteilung mit Menschen reicht meist nicht aus, man muss diesen auch die richtigen Tools für ihre Arbeit zur Verfügung stellen, wie z.B. ein Tool für die automatisierte Stammdatenpflege oder auch ein PIM, um alle Daten zentralisiert zu verwalten und abzurufen.

 

Durch die Globalisierung und des Kostendrucks auf den Weltmärkten wird der Informationsbedarf von Menschen und Maschinen zukünftig weiter steigen.
Welchen Beitrag hierzu leisten? – Möglicherweise durch eine intensivere Verwendung von Standard und damit Schaffung einer gemeinsamen „Sprache“, die von unterschiedlichen Maschinen gleichermaßen interpretiert werden kann?

Die Verwendung von Standards und eine gemeinsame Sprache bzw. Mappings von verschiedenen Sprachen sind im Datenbereich unabdingbar. Standards sorgen für Transparenz, Vergleichbarkeit und vor allem Sicherheit.

 

Nutzen Sie bereits Standards (ISO, GS1, eCl@ss, …) in Ihrem Unternehmen? Wenn ja, was ist die primäre Anwendung?

Wir arbeiten mit der GS1 Plattform Atrify, um den Handelskunden alle Daten in der gleichen Form zur Verfügung zu stellen. Atrify ist eine große Unterstützung, man stelle sich vor wir müssten jedem Kunden nach seinen Wünschen die Daten in Excel-Tabellen aufbereiten, das wäre nicht leistbar.

In der Instandhaltung hat man begonnen Ersatzteile nach dem eCl@ss-Standard zu klassifizieren. Es ist ein großer Vorteil bei der Hülle und Fülle von Ersatzteilen und deren Varianten den Überblick zu behalten, sei es bei der Neuanlage zur Vermeidung von Dubletten, bei der Suche nach einem passenden Alternativteil oder für Anfragen bei verschiedenen Lieferanten.

 

Aufgrund der aktuellen geopolitischen Krisen überlegen Unternehmen, wie sie ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gegenüber unkontrollierbaren Veränderungen stärken können. Hierzu werden Strategien zur Optimierung der Supply Chain- und Produktionsresilienz erarbeitet.
Brauchen wir auch eine Strategie für eine „Stammdatenresilienz“?

Resilienz muss im gesamten Unternehmen ein Thema sein. Bei Stammdaten sind die Schwachstellen lückenhafte Prozesse, keine oder kaum vorhandene Dokumentationen und entsprechenden Standards sowie fehlende Verantwortlichkeiten. Sobald es hier zu Abweichungen, Fehlern oder Ausfall kommt, muss dennoch die Datenqualität gewährleistet sein, um alle abhängigen Prozesse weiterhin reibungslos am Laufen zu halten.

 

Wie könnte diese Resilienz aussehen und welche spezifischen Themen müssten berücksichtigt werden?

Eine Strategie in Form von Master Data Governance mit entsprechenden Rollen und Verantwortlichkeiten sowie regelmäßige Schulungen der Endanwender ist wärmstens empfohlen. Gerade die Stärkung einer „Datenqualitätskultur“ sollte mit regelmäßiger Kommunikation, die die Notwendigkeit und Vorteile klar herausstellt, vorangetrieben werden.

 

Glauben Sie, dass die direkte Integration von Data Analytics Spezialisten in eine Master Data Abteilung diese eher sinnvoll ergänzen oder den Arbeitsfokus verzerrt?

Das kommt generell auf die organisatorische Einbindung an. Wenn die MDM-Abteilung ähnlich wie HR oder IT eine stand-alone Abteilung ist, dann sehe ich da kein Problem, ganz im Gegenteil, die Kompetenz in Daten wird gleichzeitig vertieft und verbreitert. Ist jedoch die MDM-Abteilung z.B. im Marketing oder SCM angesiedelt (was ich generell nicht empfehle, wenn der MDM-Aufgabenbereich über die fachlichen und disziplinarischen Grenzen der Fachbereiche hinausreicht), ist der Data Analytics Spezialist dort nicht gut aufgehoben, sondern eher im Controlling. Jedes Unternehmen muss sich fragen, was die Ziele und Anforderungen an MDM und Data Analytics sind, um hier die richtige Entscheidung treffen zu können. Unternehmen sind individuell gewachsen und bei vielen fängt die Reise Richtung MDM und auch Data Governance, Data Analytics, Data Science, etc. gerade erst an, daher kann es hier keine pauschale Antwort geben.

 

Vielen Dank für das Interview, Frau Mülhaupt! Wir sind gespannt auf Ihr Praxisbericht auf dem Stammdaten Forum am 24. November 2022 in Düsseldorf.